Gesetze barrierefrei

Wer nicht barrierefrei ist, befindet sich in bester Gesellschaft. Nicht einmal die behördlichen Rechtsinformationsseiten entsprechen den Anforderungen, die sie ebendort zu Anforderungen an digitale Barrierefreiheit publizieren.

Bedeutung von barrierefreien Rechtsdokumenten
Gesetze werden auf verschiedensten Behördenebenen in digitaler Form im Internet publiziert. Dies erleichtert sehbehinderten Studierenden und juristischen Fachkräften mit Beeinträchtigungen den nötigen Mindestzugang.
Bedauerlicherweise bin ich aber von EU-Ebene bis zu Landesgesetzen nur selten auf eine halbwegs barrierefreie Präsentation von Gesetzen gestoßen. So werden Überschriften zu Artikeln durchwegs nicht semantisch adäquat gekennzeichnet, was etwa das WCAG Erfolgskriterium 1.3.1 Infos und Beziehungen fordert.
Ich betreibe hier teilweise nur Vorstudien, die wissenschaftlich und durch Useability-Verfahren erst einen Feinschliff erhalten müssen. So habe ich mit der Korrespondenz mit relevanten Stellen für digitale Angebote auf unterschiedlichen Plattformen erst begonnen.

Dateiformate für Rechtsdokumente
Richtiges Dateiformat für den rechtlichen Dokumententyp
Dateiformate müssen dem jeweiligen Verwendungszweck angepasst werden. Folgende Kriterien sollten dabei berücksichtigt werden:
- Gesetze, Gerichtshofsentscheide und andere Dokumente, die zum Nachschlagen vorgesehen sind, werden am besten barrierefrei in einer HTML-Datei bereitgestellt. Das nötige Anwendungsprogramm (Browser) ist bei einer Webrecherche ohnehin schon geöffnet und die Realisierung der Barrierefreiheit ist in einem entsprechenden CMS technisch relativ einfach.
- Urteile, Bescheide und ähnliche Rechtsdokumente, die einen abschließenden Rechtsstatus aufweisen, werden in einem unveränderbaren Dateiformat archiviert, publiziert oder versandt. Üblicherweise wird dafür das PDF-Format gewählt, das aber natürlich den Anforderungen der Barrierefreiheit entsprechend realisiert werden muss.
- Rechtsrelevante Dokumente, die sich wie Entwürfe erst in Entwicklung befinden, werden zweckmäßigerweise in einem Textverarbeitungsformat publiziert oder weitergeleitet. Word bietet zur Darstellung von Änderungsvorschlägen und Kommentaren technische Möglichkeiten. Diese müssen jedoch bekannt sein, für den Ablauf vereinbart werden und auch für assistierende Technologien einfach verfügbar und bekannt sein.

HTML - Das Internetformat
HTML stellt das zentrale Format für Webseiten dar. Es basiert auf einem firmenunabhängigen Standard des W3C und steht damit allen Browsern gleich zur Umsetzung der vorhandenen Barrierefreiheit zur Verfügung.
Jedes Gesetz bzw. auf EU-Ebene Richtlinie
oder Verordnung
sollte zumindest in einem digital barrierefreien Format verfügbar sein. Ich persönlich würde dafür das HTML-Format favorisieren. Genau gesagt würde ich technisch HTML5 empfehlen, weil dies über eine erweiterte Semantik verfügt, was vor allem bei der Nutzung von Screen Readern von Vorteil ist.

Textverarbeitungsformate
Vorteile von Textverarbeitungsformaten für Rechtsdokumente
Gesetze ergänzend zu einer barrierefreien HTML-Datei in einem barrierefreien Textverarbeitungsformat sind als Nice to have einzustufen. Ich selbst konvertiere Gesetze ohne Barrierefreiheit nur erst in Word und adaptiere sie dann für mich zur Verbesserung der Zugänglichkeit.
Rechtsdokumente, die einer Bearbeitung bedürfen, sollten in einem adäquaten Textverarbeitungsformat erstellt und weitergeleitet werden. Dies gilt etwa für Gesetzesentwürfe, wobei es sich empfiehlt, Standards zur Kommentierung zu publizieren.
Anmerkung:
Technische Möglichkeiten zur Kommentierung sind nicht unbedingt bekannt und für Screen Reader oft schwer bedienbar. Kommentare in selektiven Zeichen, etwa eckigen Klammern ([, ], ...) und ergänzten Initialen ([WB: … ]
) können bei der Entwicklung innerhalb einer Arbeitsgruppe zweckmäßiger sein.
Word für Rechtsdokumente (docx)
Gesetzesentwürfe werden im Gegensatz zu konsolidiertem Recht wohl überwiegend mit Word erstellt und vielleicht dann als PDF-Datei in Begutachtung geschickt. Ähnliches gilt für Bescheide, amtliche Mitteilungen und Ähnlichen.
Entsprechend wichtig ist es, auf die Barrierefreiheit der Word-Dokumente zu achten und die Konvertierung in das PDF-Format möglichst in einer barrierefreien Weise durchzuführen.
RTF-Format für Rechtsdokumente
RTF ist ein Format für Textverarbeitungsprogramme, wie Word, und verfügt im Vergleich zu reinen Textdateien (.txt) über ein Markup, also eine semantische Kennzeichnung von Textbereichen. Ob jedoch auch komplexere Elemente, wie Tabellenüberschriften oder relevante Attribute, wie Alternativtexte für Bilder adäquat umgesetzt werden, wäre zu prüfen.
TXT-Format für Rechtsdokumente (docx)
Das Nur-Text
-Format (.txt
) verfügt über keinerlei Möglichkeiten zur semantischen Kennzeichnung von Inhalten und ist daher gänzlich ungeeignet und unnötig. Erfreulicherweise findet es sich nur noch selten als barrierefreie Alternative zu Inhalten mit Barrieren.

PDF-Format im Rechtskontext
Das PDF-Format wurde ursprünglich zur plattformunabhängigen visuellen Darstellung von Dokumenten entwickelt, die nicht weiter verändert werden sollten. Entsprechend eignen sie sich im rechtlichen Kontext zur digitalen Publikation oder Archivierung von Schriftstücken, die sich in einem abgeschlossenen Stadium befinden.
Urteile, Bescheide oder amtliche Mitteilungen werden digital überwiegend im PDF-Format veröffentlicht und versandt. Entsprechend müssen Dokumente in diesem Format barrierefrei gestaltet werden.
Ich habe auf diesen Artikel hin von bereits die Rückmeldung erhalten, dass Dokumente im PDF-Format nicht in der technischen Verantwortung der Portale liegt. Sie dürfen teilweise nicht einmal Änderungen vornehmen. Entsprechend wichtig ist es, den verantwortlichen AutorInnen die Anforderungen in RechtsportalenSchulungen zu vermitteln.
Bei der digitalen Publikation von Gesetzen bringt eine PDF-Version meines Erachtens lediglich einen Nutzen für eine Druckversion oder wenn es triftige Gründe für eine präzise visuelle Darstellung gibt.
Es wäre interessant zu recherchieren, ob es gesetzliche Verpflichtungen zur Verwendung des PDF-Formats für digitale Inhalte gibt. Ich habe auch schon E-Mails von Behörden erhalten, in denen der Inhalt der Korrespondenz in einer PDF-Datei angehängt war. Meines Erachtens ein unnötiger Verpackungsmüll und Mehraufwand beim Entpacken. Allfällige rechtliche Anordnungen oder Verpflichtungen in der Verwaltung sollten also sehr gut reflektiert werden.

XML (Extensible Markup Language) Format
XML ist ein Format zur textbasierten Strukturierung von Informationen. Die Informationen können und müssen erst durch Darstellungstechniken, etwa HTML für Browser, tatsächlich präsentiert werden.
Je nach Tiefenstruktur und Standardisierung der Informationen kann die Semantik der Inhalte präzisiert und sogar sprachübergreifend in ihrer Funktion oder Bedeutung verfügbar gemacht werden. Der Status der Standardisierung wäre interessant zu analysieren.
Die Entwicklung von XML-Standards ist keine technische Aufgabe, sondern im Gesetzeskontext die Aufgabe von Rechtsfachkräften in Kooperation mit Fachkräften aus der Linguistik, um auch für die mehrsprachige EU tauglich zu sein. Dann bedürfen sie noch Useability-Tests mit AnwenderInnen auf allen Ebenen und … dann doch auch der TechnikerInnen.
Weil die Informationen technisch strukturiert sind, können sie auch technisch verarbeitet werden. Sie sind also maschinenlesbar und über die Verwendung zur Informationsdarstellung auf Webseiten auch für Recherchetools und andere Anwendungen von Vorteil.
Ich habe bislang erst folgenden Standard aus Deutschland entdeckt. (gii
steht wohl für Gesetze im Internet
und nicht für einen internationalen Standard)
Erläuternd wird dazu auf der Webseite angeführt:
Die Datenstruktur der XML-Daten wird in der zugehörigen Document Type Definition (DTD) beschrieben. Diese ist in den XML-Dokumenten referenziert und öffentlich zugreifbar unter:
https://www.gesetze-im-internet.de/dtd/1.01/gii-norm.dtd

ePUB (Electronic Publication) Format
Das ePUB-Format wurde für E-Books als offener Standard entwickelt. Es erlaubt eine dynamische Anpassung der Darstellung von Text an das Bildschirmformat und eignen sich daher besonders für Handheld-Geräte. Anders als bei PDF-Dateien können sich also etwa bei der Vergrößerung der Schrift Zeilenumbrüche ändern.
Ich sehe derzeit keinen Mehrwert des ePUB-Formats gegenüber einer HTML-Datei, die semantisch sauber mit Markup und grafisch sauber mit CSS für Browser realisiert wurde. Ich würde daher dafür plädieren, die Bemühungen auf die HTML-Version zu fokussieren.

Öffentliche Rechtsinformationssysteme im Internet
Bedeutung digitaler Rechtsinformationssysteme
Digitale Rechtsinformationssysteme (RIS) sind Webauftritte, die Zugang zu datenbankbasierten Sammlungen von Gesetzen, Urteilen und anderen Rechtsdokumenten anbieten. Sie ersparen juristischem Fachpersonal den Gang zum Bücherregal und der Zivilgesellschaft vielfach den Gang zu juristischen Fachkräften. Alle können online recherchieren und nachschlagen.
Damit aber wirklich alle, auch Fachkräfte und Zivilpersonen, online von diesen Systemen profitieren können, müssen sie barrierefrei angeboten werden. Ich habe mir folgende Seiten im Bezug auf Barrierefreiheit kurz angeschaut:

Digitale Publikation in der Europäischen Union (EU)
Rechtliche Dokumente der EU werden auf der Seite von EUR-Lex in sämtlichen Amtsprachen veröffentlicht:
Barrierefreiheit der digitalen Publikation von EU Bestimmungen
Ein kurzer Blick auf die Webseite von EUR-Lex hat gleich einen gravierenden Mangel in der Barrierefreiheit aufgezeigt:
Auf den Seiten zu den einzelnen Bestimmungen, etwa der Seite zum Durchführungsbeschluss zur Mustererklärung zur Barrierefreiheit befindet sich etwa visuell eine Tabelle mit den Dateiformaten in den verschiedenen Amtssprachen. (Sprachen, Formate und Link zum Amtsblatt
).

Technisch befindet sich dahinter jedoch kein Markup für Tabellen. Eine Tabellennavigation mittels Screen Reader Funktionalitäten ist daher nicht möglich. Ich kann also nicht von meiner Spaltenüberschrift DE
schnell nach unten zur Version gelangen, sondern muss dutzende Male Tabulator drücken.
Das digitale Amtsblatt weist nicht einmal ein Markup für Überschriften auf. (Beispiel aus dem Jahr 2018)
Die Bemühungen zur Verbesserung der Barrierefreiheit von EUR-Lex wurden 2018 in einem Newsletter zusammengefasst:
EUR-Lex Newsletter February 2018
Useability-Überlegungen zur digitalen Präsentation von Rechtsdokumenten in der EU
Die Richtlinien und Verordnungen werden in einem und einem HTML-Format angeboten. Der Link in der dritten Zeile der visuellen Tabelle führt nicht zu einer anderen Version, sondern zum Amtsblatt, in dem die Bestimmung veröffentlicht wurde. Im Amtsblatt ist dann ein Link zur HTML-Version vorgesehen. PDF-Format
- Weder die PDF-Version, noch die Verlinkung zum Amtsblatt bringen einen Mehrwert bei der Zugänglichkeit zum Gesetzestext. Es würde eine Verlinkung zu der Bestimmung in den einzelnen Amtssprachen im HTML-Format völlig hinreichen.
- Ein Hinweis auf das Amtsblatt, in dem das Dokument veröffentlicht wurde, gehört in die Metainformationen (). Optimalerweise wird ein solcher Hinweis zum Amtsblatt, wie bereits gemacht, als Link zum Amtsblatt realisiert. Vorschläge für Seitenbereiche in Rechtsdokumenten
- Ob auf eine PDF-Version gänzlich verzichtet werden kann, muss noch erörtert werden. Wer das Gesetz ausdrucken möchte, kann das derzeit wohl recht sauber mit der HTML-Version im Browser machen. Gegebenenfalls könnte aber in der HTML-Version schlicht ein Drucken-Schalter eingebaut werden, der zur PDF-Version verlinkt.
- Falls das Angebot tatsächlich nur noch auf HTML-Versionen reduziert wird, bleibt technisch nur noch eine Liste zu den unterschiedlichen Sprachvarianten.
Übrigens wurde mir auf eine Anfrage von EUR-Lex mitgeteilt, dass sie PDF-Dateien nur unverändert so publizieren dürfen, wie sie die Dateien erhalten haben.

Curia – Die Plattform des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
Der Gerichtshof der Europäischen Union ist auf folgendem Portal deutschsprachig zu finden:
CURIA - Startseite - Gerichtshof der Europäischen Union
Ich habe auch diesen Webauftritt stichprobenartig auf Barrierefreiheit hin untersucht und bin dabei auf einige gravierende Mängel gestoßen:
Mangelndes und fehlerhaftes Markup für Überschriften
Die ganze Startseite verfügt lediglich über drei semantische Überschriften, darunter auch ganz offensichtlich unter missbräuchlicher Verwendung des Überschriften-Markup zur visuellen Hervorhebung:
1258 Abonnenten
(Überschrift Ebene 3)
Mangelhafte Formulare
Für blinde Menschen ist das Kontaktformular eine unüberwindbare Hürde:
- Es verfügt über keine <label>-Elemente und entsprechend mangelhaft ist die Beschriftung der Formularelemente.
- Pflichtfelder sind nicht mit einem entsprechenden
required
-Attribut versehen, sondern nur mit einem * als visueller Indikator, dessen Bedeutung auch erst am Ende des Formulars knapp alsPflichtfeld
erläutert wird. - Das Versenden verlangt das Knacken eines CAPTCHA-Bildes. Ich habe keine alternative Möglichkeit zur Kontaktaufnahme entdeckt.
Übrigens: Ich drücke auf Versenden und es erscheint wieder das leere Kontaktformular. Keine Ahnung, ob meine Nachricht tatsächlich abgesendet wurde oder ob ich irgendwo einen Fehler bei der Eingabe gemacht habe. Ich schaue in mein E-Mail Postfach und auch dort ist keine Rückmeldung zu finden.
Der Link e-curia
auf der Startseite führt zu einem Login-Formular. Dort verfügen die Ausklappliste zur Sprachauswahl und das Eingabefeld für Passwörter über keine technisch wahrnehmbare Beschriftung. JAWS meldet in so einem Fall etwa lediglich Nicht bezeichnet 2 Eingabefeld
. Was soll hier also eingegeben werden?
Date Picker (Kalenderfunktion)
Ein Gerichtskalender ist als Date Picker mit einer Tabelle zu sieben Spalten für die einzelnen Wochentage realisiert. Leider sind die Wochentage in der ersten Zeile technisch nicht als Spaltenüberschrift realisiert, weshalb ein Screen Reader bei der Navigation in den weiteren Zeilen nicht den dazugehörigen Wochentag wiedergeben kann.
Oberhalb dieser Tabelle befinden sich Schalter zum Wechseln des Monats. Sie erscheinen für Screen Reader als Links und sind lediglich als de
bezeichnet. Technisch wird also vermittelt, dass ich hier auf eine andere Seite oder einen anderen Bereich geführt werde. Und ich weiß nicht, wohin der Weg führt.

N-Lex: Infos zu nationalem Recht in der EU
Auf EUR-Lex findet sich eine Seite, die im Seitentitel Zugang zu den Quellen des nationalen Rechts
verspricht:
Deutschsprachige Seite zu N-Lex auf EUR-Lex
Die Seite verfügt über eine Liste zu den 28 Nationen und zusätzlich zu einer Suche in mehreren Datenbanken
. Dass die Länder nicht alphabetisch sortiert sind, liegt wohl daran, dass es sich um eine Übersetzung aus einer anderen Sprache handelt.
Beispiel: Verlinkung zu Österreichischem Recht
Der Link zum Österreichischen Recht führt nicht zur Startseite des , sondern zu einer Seite mit einem Suchformular zum Bundesgesetzblatt. Ob dies angemessen ist, wäre zu prüfen: Österreichischen Rechtsinformationssystems
Bundesgesetzblatt Österreich auf N-Lex
Es wäre interessant herauszufinden, wer technisch für diese Seite verantwortlich ist, EUR-Lex oder das Österreichische RIS. Das Suchformular sollte jedenfalls auf Barrierefreiheit hin optimiert werden. Immerhin hat ein einfacher Test mit JAWS schon unbeschriftete Formularelemente offenbart.
N-Lex Diashow
Die Seite verfügt über einen Slider mit Fotos der nationalen Parlamente. Wenn diese Diashow auch wohl überwiegend dekorativen Charakter haben dürfte, könnte doch die Barrierefreiheit des Sliders optimiert werden.
So wird für Screen Reader nur der Alternativtext des jeweils eingeblendeten Bildes dargestellt. Ich finde keine Schalter zum Anhalten, Vor- oder Zurückblättern. Die Vor- und Zurück-Elemente dürften als Links realisiert sein, die für den Screen Reader lediglich Namen wie Link Einfaches nach links zeigendes spitzes
vermitteln.

Digitale Rechtspublikation in Österreich
Rechtliche Dokumente werden in Österreich auf einer Seite des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort veröffentlicht. Die Seite erfasst nicht nur Bundesrecht, sondern auch landesrechtliche Bestimmungen:
RIS Informationsangebote - Startseite
Die einzelnen Bestimmungen werden auf dieser Seite im , HTML-Format und auch als PDF-Format angeboten. RTF-Datei
Grundlegende Standards
Auf der Startseite des RIS findet sich am folgende Information:
Das RIS bietet einen barrierefreien Zugang (WAI-AA nach WCAG 2.0).
Nun sind die WCAG 2.0 der Web Accessibility Initiative (WAI) als Standards weiterhin in Kraft. Allerdings hat sich seit dessen Inkrafttreten technisch und rechtlich doch einiges getan, sodass mittlerweile der 2018 publizierte erweiterte Standard WCAG 2.1 für die Barrierefreiheit anzuwenden sein sollte.
Darüber hinaus ist das Erfolgskriterium 3.1.4 Abkürzungen zwar nur in der Konformitätsstufe AAA (Nice to have!) angesiedelt. Ich würde hier aber für eine kleine Fleißaufgabe plädieren und die Abkürzungen erklären oder zu Erklärungen verlinken.
Barrierefreiheit des Österreichischem RIS-Auftritts
Allgemein merke ich bei einem ersten Blick, dass hier ein großes und reflektiertes Team am Werk ist. Folgendes ist mir jedoch aufgefallen:
Der Auftritt wird noch mit XHTML 1.0 realisiert. Funktionalitäten der aktuelleren HTML5 , wie Seitenregionen, stehen daher noch nicht zur Verfügung.
Warum das Copyright in eine Liste mit nur einem Eintrag eingebettet ist, verstehe ich nicht. War das in Erwartung einer längeren Liste gemacht worden oder zu visuellen Formatierungszwecken? Jedenfalls könnte in die Liste auch gleich ein Accessibility Statement eingebaut werden.

Suchabfrage: Eine exemplarische Trefferliste
Ich habe in das Suchformular TADG
eingegeben, um die Darstellung von Bestimmungen zum Tiroler Antidiskriminierungsgesetz
anzuschauen. Hier der Link zum Suchergebnis:
Trefferdarstellung auf ris.bka.at
Hier meine Beobachtungen, die möglicherweise bei anderen Suchkriterien zu anderen oder weiteren Überlegungen führen:
Gesamtdarstellung einer Rechtsvorschrift
Eine Auflistung aller verfügbaren Rechtsvorschriften in einer Gesamtversion wäre gleich zu Beginn der Trefferseite wohl zweckmäßig. Es hängt mit meinen Abfragekriterien zusammen, aber dass in der Treffertabelle eine ganze Spalte lang in jeder Zeile dieselbe Verlinkung zu einer Gesamtdarstellung der Rechtsvorschrift erscheint, könnte durch eine solche Liste vor der Tabelle vermieden werden.
Treffertabelle barrierefrei
Die Trefferliste ist als Tabelle realisiert. Entsprechend wichtig ist es, dass der Inhalt einer Tabellenzelle klar einer Spaltenüberschrift zugeordnet ist.
Spaltenüberschriften barrierefrei
Die Spaltenüberschrift für die Treffernummer (Nr.
) sollte mit dem aria-label
-Attribut für eine Sprachausgabe verständlich gemacht werden. Im Code wäre lediglich folgende Ergänzung erforderlich:
<span aria-label="Nummer">Nr.</span>
Die Spaltenüberschrift Alle Zeilen markieren
für die Checkboxen bewirkt, dass JAWS beim Spaltenwechsel innerhalb darunter liegenden Zeilen folgende verwirrende Meldung bringt:
Alle Zeilen markieren Kontrollfeld nicht aktiviert Diese Zeile markieren
Die Spalte mit der Überschrift Kurzinformation
bringt in jeder Zeile den Inhalt Antidiskriminierungsgesetz 2005 …
und nicht etwa den Text der jeweiligen Paragrafenüberschrift im Gesetz selbst.
Die Spalte mit den Versionen in unterschiedlichen Dateiformaten verfügt über keine adäquate Spaltenüberschrift, sondern nur über ein
(Geschütztes Leerzeichen) im <th>
-Tag. Meiner Einschätzung nach kann auf eine gemeinsame Spaltenüberschrift für alle Dateiformate zugunsten einer eigenen Spalte für jedes Dateiformat mit einer adäquaten Spaltenüberschrift verzichtet werden.
Die verfügbaren Dateiformate müssen jeweils in einer eigenen Spalte mit der entsprechenden Spaltenüberschrift verfügbar gemacht werden (Webseite / PDF / ). Mit Stand Februar 2019 erscheinen sie nur in einem Konvolut von Links zu den einzelnen Dateiformaten. RTF-Format für Gesetze
Zeilendarstellung
Die Checkboxes zum Markieren einer Zeile weisen immer die gleiche Information Diese Zeile markieren
in einem ALT
-Attribut auf. Für Screen Reader adäquat verständlich könnte der Zweck der einzelnen Checkbox mit einem <label>
-Element und unter Anwendung von ARIA Attributen etwa folgendermaßen optimiert werden: (Die Kurzinfo muss natürlich zeilenweise den entsprechenden Titel des Paragrafen enthalten.)
aria-label="Markiere Zeile" aria-describedby="[Referenz zur Spalte Kurzinfo]"
Texting
Die Beschriftung der einzelnen Links zu Dateiformaten muss verbessert werden. Wenn das jeweilige Dateiformat technisch über die Spaltenüberschrift vermittelt wird und grafisch wie bereits vorhanden über ein Icon, würde als Beschriftung wohl eine technische Referenzierung zu einer adäquaten Kurzinfo der Zeile (aria-describedby
) genügen.
Der Link zu jedem Dateiformat wird durch einen Screen Reader jeweils zu wortreich beschrieben, etwa so:
Link § 4 Antidiskriminierungsgesetz 2005 - TADG 2005, Tiroler […] als Web-Seite.
Derselbe Säckel wird für jedes Dateiformat wiederholt.
Useability-Beobachtungen
Der Link zur gesamten Rechtsvorschrift führt jeweils über den Umweg der Datumsabfrage zur HTML-Version der Gesamten Rechtsvorschrift. Ich denke, diese redundante Verlinkung könnte besser gelöst werden.
Für die in der Checkbox gewählten Zeilen steht unterhalb der Tabelle ein Schalter Markierte Dokumente anzeigen zur Verfügung. Über eine meines Erachtens unnötige Umwegseite kann dann tatsächlich eine HTML-Version der gewählten Artikel angezeigt werden.
Positiv: Das exemplarisch gesuchte TADG ist digital in einer Konsolidierten Form verfügbar. Änderungen und Ergänzungen, die seit der ersten Erscheinung 2005 vorgenommen wurden, sind also in dieser Fassung eingebaut. Wer darauf zugreift, kann sich also darauf verlassen, dass hier alle aktuellen Bestimmungen zu finden sind.

Digitale Publikation in Deutschland
[extern] Gesetze im Internet (Rechtsinformationsprojekt des Deutschen Justizministeriums)
Positiv ist mir aufgefallen, dass ich gleich über eine Feedback Adresse zum Kompetenzzentrum Rechtsinformationssystem des Bundes
gestolpert bin: kompetenzzentrum-ris@bfj.bund.de
Mein Eindruck ist, dass sich die digitale Publikation von Gesetzen in Deutschland eher vorsichtig als Projekt des Bundesjustizministeriums ausgibt, denn als öffentliches Organ. So wird ausdrücklich auf die Papierformate als amtliche Fassung hingewiesen. Dass nur die Papierform amtliche Gültigkeit aufweist, stellt natürlich eine Diskriminierung für alle dar, die auf digitale Formate zur selbstständigen Wahrnehmung angewiesen sind.
Wenn ich die Informationen auf der Startseite richtig verstanden habe, werden im System nicht alle legistischen Ebenen und Bereiche in einer gemeinsamen Datenbank gesammelt. Das wäre natürlich bedauerlich für eine effiziente Recherche.
Auch in Deutschland werden Gesetze und Rechtsverordnungen in einer konsolidierten Fassung zur Verfügung gestellt. Änderungsgesetze und -verordnungen werden hingegen überhaupt nicht aufgenommen. Ob das in Österreich gleich gehandhabt wird und ob auch ein Zugriff auf ältere Versionen möglich sein sollte, müsste noch geprüft werden.
Für bedauerlich erachte ich, dass auf der Seite keine Suchfunktionalität einfach zu finden ist. So habe ich bei meiner exemplarischen Suche nach Behindertengleichstellungsgesetz Deutschland
erst über Google die Seite gefunden, die dann doch unter folgendem URL erreichbar ist:
http://www.gesetze-im-internet.de/bgg
Dabei muss sich die digitale Präsentation konkreter Gesetze in Deutschland in Bezug auf Barrierefreiheit gar nicht verstecken. Das Markup ist zwar noch nicht perfekt, jedoch besser als ich es in anderen Rechtsinformationssystemen bislang entdeckt habe.

Barrierefreiheit konkreter Rechtsdokumente
Ich habe Stichproben zu Rechtsbestimmungen im Hinblick auf deren Barrierefreiheit gezogen. Im Folgenden finden Sie keine abschließende Evaluation, sondern nur eine Dokumentation der ersten Beobachtungen.

EU Durchführungsbeschluss für eine Mustererklärung
Die unterschiedlichen Versionen der Bestimmung sind auf folgendem Link zu erreichen:
Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1523 [Hauptseite auf EUR-Lex]
Barrierefreiheit der HTML-Version auf EUR-Lex
Der Seitentitel lautet EUR-Lex - 32018D1523 - EN - EUR-Lex
. Ich bezweifle, dass diese Bezeichnung dem Geist des WCAG Erfolgskriterium 2.4.2 entspricht.
Die Version im HTML-Format dieser EU-Bestimmung verfügt über kein Markup für Überschriften oder . Listen für Artikel
Damit entspricht sie nicht dem WCAG Erfolgskriterium 1.3.1 (Infos und Beziehungen). Sie befindet sich also tief im roten Bereich in Bezug auf Barrierefreiheit gerade für Rechtsdokumente.
Gleich im Artikel 1 Absatz (3) wird im Punkt b) die Abkürzung NRO ohne jegliche Erläuterung verwendet. Ich tippe einmal darauf, dass mit der Abkürzung Nicht-Regierungsorganisationen gemeint sind, kann mich aber auch täuschen
Barrierefreiheit der PDF-Version auf EUR-Lex
Die Version im PDF-Format dieser EU-Bestimmung verfügt über keine Tags für Überschriften oder Listen. Sie entspricht also auch nicht den Minimalanforderungen an Barrierefreiheit.

Beispiel eines EuGH Urteils
In meiner Betriebsratstätigkeit stieß ich 2019 auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs betreffend die Österreichische Regelung des Karfreitags als gesetzlichem Feiertag exklusiv für bestimmte Konfessionen. Diese Regelung wurde vom EuGH als diskriminierend für Mitglieder anderer Konfessionen oder bekenntnislose erkannt.
Als diskriminierend ist die digitale Präsentation des Urteils für Menschen anzusehen, die auf Screen Reader angewiesen sind. Darüber hinaus erachte ich die unübersichtliche Darstellung und das Juristensprech als Useability-Problem. () Struktur statt feierlicher Formulierung
Das Urteil ist unter folgendem Link zu finden:
Exemplarisches CURIA – Dokument
Folgende Problembereiche in Bezug auf Barrierefreiheit konnte ich auf einen raschen Blick identifizieren:
Das Dokument verfügt über keine einzige semantische Überschrift. Die vorhandenen Listen verfügen ebenso nicht über das entsprechende Markup. Das Dokument erscheint daher für den Screen Reader als ein einziger langer Textbrei.
Stattdessen wird etwa grafisches Markup verwendet:
<b>Urteil</b>
<b>Rechtlicher Rahmen</b>
- …
Anmerkung
Die Nummerierung einzelner Zeilen erfolgt in einem Anker mit einem name
-Attribut (<a name="point1">1</a>
). Wozu dieses Attribut hier dienen soll, hat sich mir nicht erschlossen. Hilfreich wäre stattdessen ein id
-Attribut. Damit könnte etwa in einem Link direkt auf eine spezielle Zeile referenziert werden. Zugegeben: Ein Nice to have.

Tiroler Antidiskriminierungsgesetz (TADG) im Österreichischen RIS
Ich habe das TADG zur Analyse gewählt, weil darin im § 14b die EU Richtlinie 2016-2102 (Barrierefreier Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen) umgesetzt wird.
Die unterschiedlichen Versionen des Gesetzes habe ich durch eine Suchabfrage auf dem Webauftritt erreicht:
TADG [Trefferliste bei der Suche nach TADG
auf ris.bka.at]
Barrierefreiheit der HTML-Version des TADG
Einsprungmenü
- Das Einsprungmenü (Skip Navigation - Links) verfügt gleich über sportliche neun Links zur Navigation innerhalb der Webseite . Eine solche Anzahl ist mittlerweile aus Gründen der Useability für die reine Tastaturbedienung unüblich.
- Immerhin verfügt die Seite über Fokuseffekte beim ersten Drücken der Tabulator-Taste (Sichtbarkeit von Einsprungmenüs). Ich würde die sichtbaren Einsprunglinks beim Drücken der Tabulator-Taste nicht am Bildschirm zentrieren. Wer mit Vergrößerungsprogrammen arbeitet, sucht eher erst am linken oberen Bildschirmrand und kann sich nicht auf die Verfolgung des Ausschnitts bei Fokusveränderungen verlassen.
Überschriften
Die HTML-Version des konsolidierten Rechts verfügt über eine sehr schräge Überschriftenstruktur:
- Die einzelnen Gesetzesartikel befinden sich in einem
<div>
-Bereich mit einer Überschrift der Ebene 2, die Screen Readern vorbehalten sein dürfte: (class="onlyScreenreader"
) - Diese Überschrift enthält lediglich die Artikelnummer
§ 1
(§ 1
). - Darunter folgt eine Überschrift der Ebene 3, die lediglich
Text
als Text enthält. Dies widerspricht sowohl einer adäquaten Überschriftenhierarchie, als auch dem Erfolgskriterium 2.4.6 Überschriften und Beschriftungen (AA). - Der darauf folgende
1. Abschnitt
verfügt über keine Semantik für Überschriften, sondern ist nur in ein<p>
-Tag mit der entlarvenden CSS-KlasseUeberschrG1 AlignCenter
versehen. Ein Verstoß gegen WCAG Erfolgskriterium 1.3.1 Infos und Beziehungen.
Fazit zur HTML-Version des Österreichischen RIS
Die hier dokumentierten und darüber hinaus bekannten rätselhaften Präsentationen von Listen von Bestimmungen innerhalb von Tabellen machen deutlich, dass das Team des RIS an eine Revision herangehen muss.
Barrierefreiheit der PDF-Version des TADG
- Abschnittsnummern verfügen über eine Überschrift der Ebene 1.
- Der Text der Abschnittsüberschrift befindet sich darunter in einer Überschrift der Ebene 2.
- Die einzelnen Paragrafen verfügen über keine Überschriftensemantik.
Fundamentale Navigationsmechanismen bei der Benutzung von Screen Readern sind damit nicht gewährleistet.
Barrierefreiheit der
RTF-Version des TADGDie Datei weist eindeutige Fehler in Bezug auf Barrierefreiheit auf und Mängel, die an den Bereich der Useability grenzen.
- Das Dokument enthält keine Überschriften für Abschnitte und Paragrafen.
- Das Inhaltsverzeichnis erscheint als Tabelle mit der Nummer des Artikels in der ersten Spalte und der Bezeichnung in der zweiten Spalte.
- Die Abschnittsbezeichnungen im Inhaltsverzeichnis werden einspaltig eingeschoben. Dies dürfte rein visuelle und keine technischen Motive haben.
- Das Inhaltsverzeichnis enthält keine Verlinkung zu den jeweiligen Überschriften.
- Die im Dokument technisch vorhandenen Links konnte ich nicht finden.
- Innerhalb der Paragrafen gibt es keine semantischen Listen für die einzelnen Bestimmungen.

Deutsches Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) auf gesetze-im-internet.de
Eine recht brauchbare Startseite zum Deutschen Behindertengleichstellungsgesetz mit einem Inhaltsverzeichnis und Links zu unterschiedlichen Dateiformaten kann unter folgendem Link erreicht werden:
http://www.gesetze-im-internet.de/bgg
Die Seite verfügt leider über einen sperrigen Seitentitel: BGG - nichtamtliches Inhaltsverzeichnis
.
Die Seite ist leider noch nicht mit HTML5 realisiert und verfügt entsprechend noch über keine Seitenregionen. Es finden sich auch keine Kennzeichnungen mittels ARIA Landmark Roles.
Unter der korrekt als Überschrift der Ebene 1 realisierten Hauptüberschrift befinden sich gleich Links zur Gesamtausgabe der Norm
in verfügbaren Dateiformaten. Ich erachte dies als sehr benutzerfreundlich.
Das Inhaltsverzeichnis wird technisch nicht als Liste, sondern als Tabelle realisiert. Soweit ich es sehe, dient das Tabellen-Markup lediglich zum Einrücken, also zur visuellen Darstellung. Die Tabelle ist daher als Layout-Tabelle anzusehen und mit entsprechend mittels role="presentation"
von der Tabellensemantik zu befreien.
In der HTML-Version habe ich mir nur die Überschriftenhierarchie angeschaut und die ist meines Erachtens konsistent:
- Der Gesetzestitel samt Abkürzung ist exklusiv in einer Überschrift der Ebene 1 realisiert.
- Gesetzesabschnitte erscheinen jeweils in einer Überschrift der Ebene 2.
- Die einzelnen Paragrafen sind als Überschrift der Ebene 3 realisiert, wobei sich die Nummer des Paragraphen und dessen Titel innerhalb eines Überschriftenelements befinden.
Die PDF-Version des Deutschen Behindertengleichstellungsgesetzes hingegen verfügt über keine Tags und damit auch über keine Semantik. Meines Erachtens genügt es jedoch, ein Gesetz in einem barrierefreien Format, bevorzugt HTML, anzubieten.

Verordnung zum Tiroler Teilhabegesetz
Im Teilhabegesetz (THG) wurden ab 2018 Maßnahmen zur Verbesserung von Selbstbestimmung und Selbständigkeit von Menschen mit Behinderungen in Tirol geregelt. Das Gesetz ist im Österreichischen Rechtsinformationssystem unter folgender Adresse abrufbar:
Die dazugehörige Förderrichtlinie enthält konkrete Bestimmungen, etwa über förderbare Maßnahmen oder Fördersätze. Sie ist digital ausschließlich als PDF-Datei verfügbar:
Förderrichtlinie zum THG (PDF)
Die PDF Datei verfügt über keine Tags und damit über keine brauchbare Semantik für Screen Reader. Ich habe seit deren Erscheinen im Juli 2018 die zuständige Abteilung mehrfach darauf hingewiesen, dass ich bei der Beratung von Menschen mit Behinderungen persönlich auf eine barrierefreie Version angewiesen bin. Leider bislang ohne Resonanz.

Normen - Zugänglichkeit und Barrierefreiheit
Mangelnde demokratische Zugänglichkeit von Normen
Normen entstehen im Gegensatz zu Gesetzen nicht auf demokratischer Basis, sondern stellen Vereinbarungen zwischen Einrichtungen dar, die sich in die jeweiligen Kommissionen eingekauft haben. So muss eine Selbsthilfeorganisation etwa Beiträge an das Normungsinstitut zahlen, um über Standards zu Blindenleitsystemen mitreden zu können.
Normen sind im Web auch nicht unmittelbar einsehbar. Dies liegt daran, dass sie nur kostenpflichtig erhältlich sind. Da sich offizielle Rechtsbestimmungen immer wieder auf Normen beziehen, stellt diese finanzielle Barriere der digitalen Verfügbarkeit meines Erachtens ein demokratiepolitisches Problem dar.
Barrierefreiheit von Normen
Digital werden Normen im PDF-Format angeboten. Entsprechend ist auf die Barrierefreiheit der PDF-Datei zu achten.
Ich habe mir exemplarisch die Barrierefreiheit der DIN EN 301 549 angeschaut. Immerhin geht es darin um Barrierefreiheitsanforderungen, geeignet für die öffentliche Beschaffung von IKT-Produkten und -Diensten in Europa
.
Eine erste Analyse zur Barrierefreiheit der PDF-Datei mit der Norm habe ich bereits in meinem Artikel zu internationalen Bestimmungen zusammengefasst. Kurz gesagt: Durchgefallen! Die Datei entspricht nicht den Anforderungen, die in der Datei publiziert wurden. Hier der Link zu meiner Analyse:
(Nicht)-Barrierefreie der DIN 301 549
Ich habe natürlich versucht, zur DIN Kontakt aufzunehmen, allerdings fehlen mir die nötigen Kontaktdaten auf din.de.

Standards für barrierefreie Gesetze entwickeln!
Bedeutung von Standards für barrierefreie Gesetze
Normen und Standards führen zu einer Vereinheitlichung der Darstellung. Dadurch erhöht sich die Wiedererkennbarkeit und auf digitaler Ebene auch das Verständnis etwa von Navigationsmöglichkeiten bei der Nutzung von Assistierenden Technologien.
Keine Standards für barrierefreie Gesetze
Nachdem meine Webrecherche zu Standards für barrierefreie Gesetze erfolglos war, habe ich im Dezember 2018 eine Anfrage an die WebAIM Mailingliste gestellt. Der gesamte Diskussionsfaden kann unter folgendem Link abgerufen werden:
Thread: Standards for Accessible Laws?
Fazit: Es scheint nirgends Standards zu digital barrierefreien Gesetzen zu geben. Statt dessen Frust über Gesetze ohne technische Semantik und die Verwunderung, dass sich niemand darüber aufregt.

Vorschlag für Dateiformate
Am Beginn der Überlegungen sollte die Frage nach dem stehen. Ein Gesetz sollte anders digital präsentiert werden, als ein Bescheid oder ein Gesetzesentwurf. Mögliche Kriterien habe ich bereits im Abschnitt richtigen Dateiformat für den rechtlichen Dokumententyp behandelt. Dateiformate für Rechtsdokumente
Ich persönlich würde angesichts der weithin mangelhaften barrierefreien Präsentation von Rechtsmaterien dafür plädieren, sich jeweils auf ein Format bei der Umsetzung der Barrierefreiheit zu konzentrieren. Damit können Ressourcen fokussiert werden und damit wird den unterschiedlichen WCAG-Vorschlägen jeweils zum Angebot zumindest einer barrierefreien Alternative entsprochen.

Vorschlag für Seitenbereiche für Gesetze, Richtlinien und Verordnungen
Rechtsbestimmungen weisen meist Metainformationen am Anfang oder Ende eines Gesetzes auf. Konsequenterweise werden diese wohl in die entsprechenden HTML5 Regionen aufgeteilt:
Bereich | Mögliche Inhalte |
---|---|
<header> |
|
<main> | Die einzelnen Gesetzesartikel (Paragrafen). |
<footer> |
|
Wo ein verlinktes Inhaltsverzeichnis als <nav>
-Bereich eventuell separat oder verschachtelt präsentiert werden sollte und ob auch ein <aside>
-Bereich zur Seitenstrukturierung beiträgt, ist noch zu diskutieren und mit Betroffenen zu testen.

Struktur statt feierlicher Formulierung
Hintergrundinformationen zum Strukturvorschlag
Es ist zwar nur ein Erfolgskriterium der Konformitätsstufe AAA (Triple A), aber ich würde es für die Metainformationen sehr empfehlen: Erfolgskriterium 2.4.10 Abschnittsüberschriften. Inhaltliche Einheiten sollten einen sinnentsprechenden Überschriftentext erhalten.
So eröffnen Rechtsdokumente der Europäischen Union (EU) mit einem semantikfreien Formulierungsmonster. Die zentrale Richtlinie zur digitalen Barrierefreiheit für die EU beginnt beispielsweise folgendermaßen:
RICHTLINIE (EU) 2016/2102 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (Text von Bedeutung für den EWR)
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION — gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114 Absatz 1, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, nach Anhörung des Ausschusses der Regionen, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, in Erwägung nachstehender Gründe:
Es folgt übrigens visuell eine nummerierte Liste von Motivationsgründen, die aber technisch missbräuchlich als Tabelle realisiert ist.
(Deutschsprachige HTML-Version der EU Richtlinie 2016/2102)
Strukturvorschlag in tabellarischer Darstellung
Übersichtlicher, verständlicher und für Screen Reader leichter navigierbar könnten diese Metainformationen mit Zwischenüberschriften gegliedert werden oder in einer tabellarischen Darstellung . Diese könnte etwa folgendermaßen aussehen:
Thema | Inhalt |
---|---|
Titel: | Barrierefreier Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen |
Typ: | EU Richtlinie |
Nummer: | 2016/2102 |
Instanzen: |
|
Datum: |
[Maschinenlesbar!] |
EWR Relevanz: | Von Bedeutung |
Grundlage: | Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere Artikel 114 Absatz 1. [Keine direkte Verlinkung zum Abschnitt möglich, weil dieser über keine eigene ID verfügt.] |
Entstehungsgeschichte: |
|
Motivation (in Erwägung nachstehender Gründe
)
- Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft bieten sich den Nutzern neue Möglichkeiten des Zugangs zu Informationen und Dienstleistungen. Informations- und Dienstleistungsanbieter, wie etwa öffentliche Stellen, nutzen zunehmend das Internet, um ein breites Spektrum an Informationen und Dienstleistungen, die für die Allgemeinheit von grundlegender Bedeutung sind, online einzuholen, zu erstellen bzw. bereitzustellen.
- ...
Anmerkungen zu diesem Strukturvorschlag
- Statt der tabellarischen Anordnung der Themen könnte natürlich auch schlicht mit Überschriften gearbeitet werden. Die optimale Darstellung sollte in Useability-Tests mit Nutzerinnen ermittelt werden.
- Wording und Texting in diesem Vorschlag bedürfen wohl einer Prüfung durch juristische Instanzen und optimalerweise auch Fachkräften für verständliche Sprache.
- Ich habe in dieser Tabelle abgesehen vom Titel die Reihenfolge der Themen aus dem EU-Dokument übernommen. Dass die Reihung der Themen einer Überarbeitung bedürfen dürfte, erschließt sich wohl aus meinem Versuch einer übersichtlichen Darstellung.

Vorschläge für Überschriften und Überschriftenhierarchie
Grundlegendes Markup für die Semantik
Für das Verständnis und die Navigation mit einem Screen Reader ist es unbedingt erforderlich, dass Überschriften semantisch in HTML als solche gekennzeichnet werden. Dies gilt in gesetzlichen Texten insbesondere für Abschnittsüberschriften, einzelne Artikel (Paragrafen) und falls vorhanden auch für Spaltenüberschriften in Tabellen.
In Word-Dokumenten und für daraus generierte PDF-Dateien müssen die Überschriften ebenfalls mit den entsprechenden Absatzformaten für Überschriften versehen werden.
Überschriftenhierarchie
Ein Standard für die Überschriftenhierarchie bedürfte wohl umfangreicherer Befragungen von Betroffenen und einschlägiger Useability-Tests. Dabei sollten sowohl juristische Fachkräfte, als auch gewöhnliche BürgerInnen eingebunden werden.
Mein Vorschlag wäre, dazu einfach einmal die allgemeinen Empfehlungen für barrierefreie Überschriften auf HTML-Seiten heranzuziehen. Umgesetzt auf Gesetze würde das etwa Folgendes bedeuten:
- Jede Gesetzesseite verfügt über nur eine Überschrift der Ebene 1 am Beginn des Hauptinhalts. Die Metainformationen könnten auf diese Weise per Tastatur rasch übersprungen werden.
- Diese Hauptüberschrift sollte knapp den Inhalt des Gesetzes formulieren, etwa den Kurztitel des Gesetzes. Feierliche und wortreiche Erläuterung müssen weggelassen werden.
- Die offizielle Abkürzung wird dem Titel des Gesetzes in der Hauptüberschrift möglicherweise zweckmäßigerweise angefügt.
- Unter der Hauptüberschrift folgen Überschriften für Abschnitte, Artikel oder Paragrafen und davor auch schon allfällige allgemeine Motivationsgründe oder Zielsetzungen jeweils in konsistenten Überschriftenebenen.
- Enthält eine Überschrift eine Nummerierung, darf diese Nummerierungen nicht als separate Überschrift realisiert werden. Das passiert leider allzu oft wohl zur visuellen Darstellung. Nummerierung und Text des Artikels befinden sich in einem Element.
- Für Überschriften außerhalb des Hauptinhalts muss eine konsequente Ebenenhierarchie überlegt werden.
Links in Rechtsdokumenten
Bedeutung von Links in Rechtsdokumenten
Durch Links ergeben sich aus digitalen Formaten zentrale Chancen auch für Rechtsdokumente. Kein Umblättern ist nötig und auch kein Gang zum Literaturschrank. Bei korrektem Einsatz genügt ein Klick.
Der Aufwand, Verweise in Rechtsdokumenten in adäquate Links umzuwandeln, dürfte überschaubar sein. Es müsste für redaktionell Verantwortliche nur ein entsprechendes Datenbankinterface zum Nachschlagen und Einfügen bereitgestellt werden.
Technische Voraussetzungen zur Verlinkung
Damit zu einer jeglichen einzelnen Rechtsbestimmung verlinkt werden kann, muss im HTML-Code jeder singuläre Abschnitt, Artikel, Absatz und jede weitere untergeordnete Bestimmung über ein individuelles ID-Attribut verfügen. Erst dadurch kann ein Link genau auf eine einzelne Bestimmung referenzieren, sei es innerhalb eines Rechtsdokuments oder von einer anderen Webseite.
Eine Verlinkbarkeit von rechtlichen Bestimmungen würde auf wissenschaftlichen und allgemein informativen Webseiten das Nachlesen wesentlich erleichtern. Sie würde damit auch zur Demokratisierung von Rechtsinhalten beitragen.
Wenn einmal eine technische Lösung zur Zuweisung eindeutiger IDs verfügbar ist, entstehen keine weiteren Kosten für ein einzelnes Rechtsdokument bei der Veröffentlichung. Es handelt sich dabei also um eine einmalige Investition, die vermutlich nur mit geringem finanziellen Aufwand verbunden ist.
Anforderungen an Links in Rechtsdokumenten
Ein jedes Rechtsdokument sollte ein Inhaltsverzeichnis enthalten, in dem auf die einzelnen Bestimmungen verlinkt wird. Ein solches Inhaltsverzeichnis wird bereits vielfach bereitgestellt und lässt sich technisch bei einem entsprechenden Work Around automatisiert generieren.
Es wäre darüber hinaus fein, wenn auch Verweise innerhalb des Rechtsdokuments als Links realisiert würden. Suchanforderungen innerhalb einer Webseite oder eine Websuche bleiben dadurch den BesucherInnen erspart.
Vorschläge für Listen innerhalb der Gesetzesartikel
Innerhalb eines Gesetzesartikels werden die einzelnen Bestimmungen als geordnete Liste mit dem HTML-Tag <ol>
gekennzeichnet.
Für die Spezifizierung der Nummerierung (Numerisch / alphanumerisch / …) steht die CSS -Anweisung list-style-type
zur Verfügung.

Tabellen barrierefrei
Was eine Tabelle ist, muss auch als solche technisch realisiert werden. Und nur was wirklich eine Tabelle ist, sollte technisch als solche realisiert werden.
Ich habe auf unterschiedlichen Rechtsseiten die Darstellung einer Liste innerhalb eines Rechtsartikels (Paragrafen) semantisch als Tabelle mit der Nummer des Absatzes in der ersten Spalte und dem Text in der zweiten Spalte gefunden. Dies stellt meines Erachtens eine Verletzung des WCAG Erfolgskriteriums 1.3.1 Infos und Beziehungen dar.
Grafiken und Bilder
Gesetze und Normen können und sollten zur Verbesserung der Verständlichkeit für Sehende Visualisierungen enthalten. Deren barrierefreie Realisierung unterliegt gleich dem ersten WCAG Erfolgskriterium. Folgende Links können zum Verständnis und zur barrierefreien Einbindung von Visualisierungen beitragen: